Der Stoff der Freiheit oder eine kurze Geschichte der indischen Textilindustrie
Ungefähr 6000 vor Christus begannen im Industal, soweit wir heute wissen zum ersten Mal, Menschen kleine flauschige Bällchen von Bäumen zu pflücken, zu Fäden zu spinnen und daraus Kleider anzufertigen. Mit der Zeit entwickelte man Dekortechniken wie Färben, Bedrucken, Besticken. Diese Stoffe aus so genannter Baumwolle offenbarten eine Schönheit und Qualität, dass die ersten europäischen Reisenden im Mittelalter, selber in Leder und Wolle gewandet, begehrliche Blicke auf die kühlen, pflegeleichten Gewebe warfen. Doch auch die Einheimischen kannten den Wert, denn Steuern konnten in Rajasthan „in Stoff“ entrichtet werden. Jede Region entwickelte eigene Techniken und Stile. Zum Beispiel die Chikan-Stickerei aus Lucknow oder die BlockPrint-Technik aus Rajasthan.
Über die Seidenstraße gelangten Baumwollstoffe auch in den Mittelmeerraum. Ab dem 14. Jahrhundert zog Venedig das Handelsmonopol für Baumwolle an sich. Bis ins 18. Jahrhundert blieb die Baumwolle in Europa jedoch eine Luxusware. Grund dafür war der hohe Arbeitseinsatz bei der Verarbeitung.
Erst als neue Verarbeitungsmöglichkeiten Baumwollprodukte billiger machten, wurde die Baumwolle zur wichtigsten Handelsware der Welt, die die Industrialisierung in Gang brachte.
Die Baumwolle gehörte zu den Kerngeschäften der Britischen Ostindien-Kompanie. Diese private Handelsgesellschaft, die von der britischen Krone mit vielen Privilegien ausgestattet war, monopolisierte den Handel mit Bengalen. Bengalische Handwerker wurden mit Gewalt gezwungen, ihre Waren zu einem geringen Preis zu liefern und hohe Steuern zu bezahlen
Die Erfindung der Spinnmaschine „Spinning Jenny“ 1764 ermöglichte erstmals eine effiziente Verarbeitung der Baumwolle in Europa. Damit war der Grundstein für die Entwicklung der englischen Textilindustrie gelegt. Indien sollte fortan nur mehr billige Rohstoffe liefern und nicht länger ein Konkurrent für englische Industrieprodukte sein. Deshalb schützte England seine Textilindustrie durch hohe Einfuhrzölle und Einfuhrverbote und verbot seiner Kolonie auch den Handel mit den anderen europäischen Ländern, so dass die englische Textilindustrie eine weltweite Monopolstellung innehatte. Gleichzeitig stellte der indische Subkontinent einen wichtigen Markt für englische Erzeugnisse dar. Doch durch die Überschwemmung des Marktes mit billigem englischen Garn und englischen Baumwollstoffen wurden die einheimischen Handwerksbetriebe in den Ruin getrieben. Die Zerstörung der einheimischen Industrien und die Degradierung Indiens zum billigen Rohstofflieferanten stellten die ökonomische Basis des kolonialen Ausbeutungssystems dar. Deshalb erregte Gandhis Spinnrad-Kampagne im Unabhängigkeitskampf großes Aufsehen. Gandhi rief dazu auf, selbst Stoffe herzustellen und keine englischen Stoffe mehr zu importieren. Das Spinnrad wurde so zum Symbol für die indische Unabhängigkeit und ziert noch heute die indische Flagge. (Quelle u.A. talktogether.org)
Seit Hunderten von Jahren stellen Chippah-Familien in den BlockPrint- Regionen in Rajasthan in vielen Arbeitsschritten traditionelle BlockPrint-Stoffe her.